Berlin Contemporary Wettbewerb: Diese Gewinner-Brands sind neu dabei

Berlin Contemporary geht in die nächste Runde: Für die AW26-Saison hat erneut eine unabhängige Fachjury 19 Designer:innen und deren herausragende Showkonzepte prämiert. Bei der Auswahl lag der Fokus auf handwerklicher Qualität, einer klaren Strategie im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Diversität sowie dem kommerziellen und wirtschaftlichen Potenzial der Brand. Neben bekannten und wiederkehrenden Namen des Berlin-Fashion-Week-Kalenders sind in dieser Saison drei Neuzugänge dabei: DAGGER (Berlin), John Lawrence Sullivan (Tokio) und Kenneth Ize (Lagos).

Kenneth Ize
Der in Österreich aufgewachsene Kenneth Ize mag zwar als neues Gesicht im Rahmen des Konzeptwettbewerbs Berlin Contemporary gelten, doch ist der Designer mit seiner gleichnamigen Brand keinesfalls ein Unbekannter: Das 2013 in Lagos, Nigeria, gegründet Label machte sich mit seinen farbintensiven und zeitgenössischen Interpretationen traditionell westafrkinaischer Textilien einen Namen – allen voran mit Aso Oke, einem handgewebten Stoff, der seit jeher von dem Yoruba-Volk getragen wird und von hoher kultureller sowie sozialer Bedeutung ist.
Der Designer mit nigerianischen Wurzeln arbeitet mit lokal ansässigen Handwerkskünstler:innen und Webgemeinschaften, um die traditionellen Fertigungstechniken zu bewahren und gebührend wertzuschätzen. Das Aso Oke wird von Hand auf Holzwebstühlen gewoben – ein Prozess, der auf über Generationen weitergegebenem Wissen beruht und nahezu ohne Elektrizität auskommt.
Kenneth Ize arbeitet nach dem Low-Waste-Prinzip und unterstützt durch seine Arbeit lokale Produktion, Communitys und Know-how, was er zu Recht als “cultural preservation” betitelt.
Kenneth Ize trägt mit seinen Entwürfen ein Stück seiner eigenen Herkunft, Identität und Geschichte in die Welt, und das mit internationalem Erfolg: 2019 war er Finalist des prestigeträchtigen LVMH Prize für Jungdesigner:innen; direkt im darauffolgenden Jahr zeigte er seine Kollektion während der Paris Fashion Week, wo Models wie Naomi Campbell und Imaan Hammam seine Designs auf dem Laufsteg präsentierten. 2021 entwarf er eine genderneutrale Capsule Collection für die Marke Karl Lagerfeld. In seinen Kreationen verschmilzt Kenneth Ize dabei gekonnt kulturelles Erbe mit modernem Designanspruch: Kräftige Farben, Streifenmuster, Tailoring und androgyne Silhouetten bestimmen seine Kollektionen, die Tradition und Gegenwart vereinen – eine unverwechselbare stilistische Handschrift, die von branchenrelevanter Presse und wichtigen Einkäufer:innen gleichermaßen gefeiert wird.

John Lawrence Sullivan
Das in Tokio ansässige Label John Lawrence Sullivan wurde 2003 vom ehemaligen Boxer Arashi Yanagawa gegründet und ist eine namentliche Hommage an einen legendären amerikanischen Profiboxer aus dem 19. Jahrhundert. Nach seiner Sportlerkarriere brachte sich Arashi Yanagawa das Wissen und die Fähigkeiten des Modedesigns Schritt für Schritt autodidaktisch bei.
Alles begann mit der Dekonstruktion seiner eigenen Vintage-Jacken, die er akribisch auseinandernahm und studierte, um eine Art “Rezept” für die perfekte Jacke zu entwickeln. Seine Neugier und Beharrlichkeit zahlten sich aus: Heute ist die Brand Teil der japanischen New Wave in der Menswear und besticht durch Raffinesse, Vision und Haltung.
Nach über zwanzig Jahren umfassen die Kollektionen des Labels mittlerweile sowohl Herren- als auch Damenmode. Im Zentrum stehen stets präzises Tailoring mit perfekt geschnittenen Anzügen und Jacken, asymmetrische Schnitte, ein überraschender Materialmix und dynamische Silhouetten. In seinen Entwürfen schafft der in Hiroshima aufgewachsene Designer Bezüge zu Kunst, Musik, Film und Politik und erforscht neue Ausdrucksformen von Identität, Geschlecht und Stärke. Er verbindet Erbe mit dem Unkonventionellen und verwendet traditionelle Materialien in subkulturellen Kontexten.
Vor allem die exquisite Schneiderkunst ist das Kernmerkmal des Labels, das eine interessante Brücke zu Arashi Yanagawas erster Karriere schlägt: Beide zeichnen sich durch Disziplin, Struktur und Stärke aus. Vielleicht gelingt es dem japanischen Designer deswegen so hervorragend, diese Elemente in seiner Mode zu transportieren, während er sie gleichzeitig auf seine individuelle Weise aufbricht – Disziplin trifft auf Freiheit, Struktur auf Exzentrik, Stärke auf Zerbrechlichkeit.

DAGGER
Es gibt unterschiedliche Wege, auf eine unerwartete und kalte Kündigung zu reagieren. Wut, Trauer oder Verzweiflung wären nachvollziehbare Gefühle. Doch Luke Rainey entschied sich für eine ganz andere Bewältigungsmethode: Er machte sich die Abschiedsworte des Kündigungsschreibens “All the best” zunutze und druckte den Satz kurzerhand auf die Rückseite eines T-Shirts.
Daraus entstand nicht nur das erste Design seiner daraufhin im Jahr 2020 gegründeten Fashion Brand DAGGER, sondern auch deren Markenphilosophie. Ganz nach dem Motto: Jetzt erst recht. Das “Core”-T-shirt verbreitete sich wie ein Lauffeuer und wurde zum Bestseller. Darüber hinaus steht es sinnbildlich für den Spirit der Brand: DIY, rebellisch und kreativ. Der Markenname ist derweil eine Referenz aus dem Heidentum, in dem der Dolch in Ritualen symbolisch für Anfang, Ende und Transformation steht.
Aufgewachsen ist Luke Rainey in einer kleinen Stadt im Norden Irlands, die zwar für Teenager nicht besonders viel zu bieten hatte, doch aus der sich eine bestimmte Sportart und Subkultur als prägend herauskristallisierte: Skateboarding. Sie verlieh dem Designer Identität und wurde zu einer Art Eskapismus. Bis heute bildet sie die Basis der Brand – von der Ästhetik über die Codes bis hin zu ihrem kulturellen Wert.
Die Entwürfe sind von Authentizität, Persönlichkeit und Statement geprägt. DAGGER macht Mode, die im echten Leben getragen werden will, statt sie bloß zur Schau zu stellen: Workwear-Pieces, Jeans im Used-Look, Hosen mit Camouflage-Muster, Trackpants, Hoodies und Slogan-Shirts. Luke Rainey setzt dabei nicht nur ein Zeichen für die Wertschätzung der Subkultur, sondern auch für die Sichtbarkeit von Menschen der Arbeiterklasse sowie queeren Perspektiven, deren Stimmen in der Mode oft als Alibi verwendet werden. Das Label kreiert Kleidung, die glaubwürdig und zugleich anspruchsvoll ist.